Seit geraumer Zeit fehle ich mir selbst. Es war viel zu tun und zu Ende zu bringen. Ich arbeite viel und bin fast genauso viel unterwegs. Umstände, die ich eigentlich gewohnt bin und üblicherweise auch gerne mag. Allerdings nur, wenn ich mir trotzdem und gerade dann, immer wieder die Zeit nehme, mich selbst zu besuchen, nach mir zuschauen, mich zu mir zusetzen und mir selbst zuzuhören. Nach diesen Selbstbesuchen bin ich voll mit mir selbst, BIN ICH und kann so ins Außen gehen – oft voller Kraft, Energie und Leidenschaft. Mit Blick auf die letzten Monate muss ich kritisch feststellen, dass ich doch den ein oder anderen (oder auch zahlreiche) Selbstbesuche vergessen oder abgesagt habe. Keine Zeit, zu viel los, zu wenig Kraft für die Wilden Selbstbesuche. Geht schon noch, muss grad ohne gehen, später, bald, jetzt nicht,… Und manchmal war ich auch ganz froh, nicht mehr nach mir zu schauen. Wer weiß, was ich mir selbst zu den nicht-Besuchen zu sagen gehabt hätte. Lieber nicht… Das ging jetzt eine ganze (Wochen)Weile gut. Und ich finde, da ist etwas in mir sehr geduldig, gnädig und verständnisvoll mit mir selbst gewesen. Hat die nicht-Besuche hingenommen, ausgehalten und noch eine ganze Zeit lang auf Selbstbesuche von mir gehofft und gewartet. Katlll – superwoman hat das Steuer übernommen, und die darf ja auch mal aus den Vollen schöpfen.
Und während ich Katlll – superwoman so hab machen lassen – arbeiten, powern, funktionieren (das kann sie wirklich gut, dass muss man ihr lassen) – habe ich begonnen, meine Selbstbesuche immer mehr zu vermissen. Hat es mir immer mehr gefehlt, bei mir zu sein, mich selbst zu spüren und mir selbst zuzuhören. Denn eigentlich fühl ich mich doch ganz wohl, wenn ich so bei mir sitzen darf und zu erzählen habe ich mir selbst ja auch jede Menge und hin und wieder sind da ein paar interessante und wertvolle Gedanken und Gefühle dabei. Jetzt möchte man meinen, dass ist ja eigentlich eine ziemlich gute Erfahrung. Prima, nichts wie los zu dir selbst, Katjenka! Du wartest bestimmt schon sehnsüchtig auf dich selbst. Dann sitzt du mit dir selbst ganz lange zusammen und ihr holt alles wieder auf und nach und dann bist wieder ganz voll mit dir selbst. Zack, alles wieder gut! Ja, dass war der Plan, als ich vor einigen Wochen entschieden hatte, dass ich wieder mehr zu mir will und unbedingt muss, damit ich wieder ICH BIN – denn dann ist alles ein bisschen, schöner, echter, lebendiger und voller Sinn… Beschlossen und mich nervös – vorfreudig auf den Weg zu mir selbst gemacht. Ich habe die altbewährten Orte zu den altbewährten Zeiten für Wilde Selbstbesuche aufgesucht (Weiher, LieblingsbuchCafe, Hunderunde, Lesen, Schreiben,…) und dabei die Erfahrung gemacht, dass ich mir nur noch äußerst selten bei meinen Selbstbesuchen begegne. Manchmal bin ich gar nicht da, wenn ich mich besuche. Dann sitze ich ohne mich da und spüre wie sehr ich mir selbst fehle. Ein anderes Mal bin ich nur kurz oder halb da und gehe mir dann selbst aus dem Weg oder wieder verloren. Das macht mich nachdenklich – traurig. Vielleicht habe ich irgendwann aufgehört auf mich selbst zu hoffen und damit auch auf mich selbst zu warten. Das berührt und verunsichert mich tief und auch Katlll – superwoman ist etwas betroffen. Das haben wir beide nicht gewollt.
Lange habe ich überlegt, was ich nun mit meiner Sehnsucht nach mir selbst mache. Traurig sein, aufgeben, ohne mich selbst weitermachen oder vorzugsweise Katlll – superwoman die Schuld daran geben, dass ich mich aktuell bei meinen Selbstbesuchen nicht mal mehr antreffe. Das Alles werde ich nicht tun! Der Wilde Plan: Ich werde mich ab jetzt wieder regelmäßig besuchen, ganz gleich, ob ich gerade da bin oder nicht. Ich werde mich hinsetzten, dem zuhören was ist und auf mich selbst warten – geduldig – hartnäckig! Weil ich mich selbst vermisse und mich riesig auf mich selbst freue! ICH BIN wieder da…
Diese Erfahrung ist nicht leicht für mich, aber gut… Vielleicht musste ich mich erst ganz doll vermissen, damit ich spüre wie lieb ich mich habe!
Ein halbes Jahr habe ich hier nichts geschrieben. Ich wollte und konnte doch nicht, denn das Schreiben ist immer auch ein Selbstbesuch. Etliche Schreibversuche habe ich abgebrochen, in denen ich gespürt habe, dass ICH nicht dabei war. Heute bin ICH da und habe im Schreiben mit mir zusammengesessen, mir zugehört und etwas von dem niedergeschrieben was ICH mir erzählt habe. DANKE an mich selbst.
© Katjenka Wild
