Mein 50. Geburtstag hatte es echt in sich: Zu keinem anderen Geburtstag habe ich so viele gute Wünsche erhalten wie zu diesem (und ich habe immerhin 49 Vergleichsgeburtstage!). Ich habe mich echt ganz besonders 50 gefühlt, weil so viele an mich gedacht haben und sich die Zeit genommen haben, ihre Gedanken an mich mündlich und/oder schriftlich zu formulieren. Unter die vielen guten Wünsche haben sich auch einige Alters-Ratschläge und wenige Kein-Alter-Phrasen gemischt. Ich habe sie (fast) so gerne entgegen genommen wie die guten Wünsche und sie anschließend sorgsam zur vorübergehenden Aufbewahrung zur Seite gelegt – wer weiß wofür ich sie noch mal brauchen kann… Denn wenn ich in 50 gelebten Jahren etwas gelernt habe, dann: Das was heute so gar nicht meins ist, kann morgen ein Teil von mir sein! Also vorsichtshalber mal alle Ratschläge und auch die Kein-Alter-Phrasen aufheben! Who knows…
Meinen liebsten Alters-Ratschlag spricht jedoch die Teenager-Tochter aus, während wir gemeinsam über den Parkplatz laufen: „Mit 50 kannst du dir (fast) alles erlauben!“ Ach?! Das ist ja interessant. Das wusste ich gar nicht. Warum? Die Teenager-Tochter erklärt mir dann, dass man (damit auch ich) ab 50 eine Freikarte (für fast alles) hat, weil ich dann schon so alt bin, dass sich niemand mehr über das was ich sage und tue aufregt. Keine schöne Formulierung, aber in der Sache selbst so interessant, dass ich mir die genauen Konditionen der Freikarten-Sache erklären lasse: Ab 50 kann ich (fast) alles tun und lassen und sagen und denken was ich will ohne, dass ich dafür groß zurecht gewiesen oder korrigiert werde – einfach weil ich jetzt alt bin. „Die dürfen das dann, weil die schon so viel erlebt haben“, so die Einschätzung der Teenager-Tochter. Ab 50 gibt es also Freikarten – nicht termingebunden und nicht anlassbezogen! Wenn mir die Idee der Freikarte nicht so gut gefallen würde, wäre ich entsetzt über die alt-Formulierung und -Sichtweise der Teenager-Tochter, aber mir leuchtet ein: Ohne ALT keine Freikarte. Dann also: Alt und frei! Klingt gar nicht so übel, wenn man sich auf den FREI-Teil konzentriert.
Ziemlich schnell wird mir klar: In dieser 50er-Freikarte steckt Wildsches Potential! Das ist quasi ein Alters-Main-Character… Wie cool ist das denn! Echt und voll unpassend sein, für mich einstehen, viel (nicht alles, aber viel) von dem Tun was ich will. FREI Denken, mutig Fühlen und verrückte Sachen tun, die eigentlich gar nicht verrückt sind, nur unüblich und ungenormt. MICH leben – und mit Freikarte interessiert das dann weder andere noch „man“ (dann kann „man“ auch mal entspannen…). Prima, dass klingt nach Main-Charakter-Dasein plus Freikarten-Bonus! Zur Sicherheit erkundige ich mich noch mal bei der Teenager-Tochter, die sich ja scheinbar mit dem Alter gut auskennt: Nein, ist nicht nur eine Freikarte, sondern ne ganze endlos Freikarten-Rolle! Glück gehabt – das wäre sonst echt schwierig geworden. Ich bin jetzt doch leicht begeistert von den Möglichkeiten, die mein Alter mir bietet.
Ich finde, dass es echt viele Menschen ab 50 braucht, die sich ihrer Freikarten-Rolle bewusst sind und diese fleißig gebrauchen – für all das was ihnen gut tut, sie sich selbst erlauben, und das was sie schon immer mal tun wollten. Weil, laut Teenager-Tochter, ist jetzt die beste Zeit dafür. Ich glaub ich mag meine 50 jetzt ein bisschen und mein Main-Charakter-Dasein findet die Freikarten-Unterstützung auch ganz nett. Findet sich also alles, wer hätte das gedacht… Dann bin ich jetzt mal ne Weile 50 und der Plan ist: Die Freikarten-Rolle oft und viel zu nutzen und auszunutzen!
Dank geht an die Wildsche Teenager-Tochter für so viel jugendliche Weisheit! Danke 🙂
© Katjenka Wild